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Richtet nicht nach dem, was vor Augen ist, sondern richtet gerecht.
Johannes 7,24
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Der heutige Vers, ein Wort Jesu, war der Lehrtext vom 23.02.2008 und hat
mich sofort angesprochen und nachdenklich gemacht. Diese Aussage liegt
auf der biblischen Linie, wonach der Mensch sieht, was vor Augen ist, während
Gott das Herz ansieht.
Als Menschen sind wir nur allzuleicht geneigt, nach dem zu urteilen, was vor
Augen ist. In vielen Fällen geht das auch gar nicht anders. Beim Beurteilen
einer Sache ist man auf Fakten angewiesen, und das ist in aller Regel das,
was dem Messen und Wägen zugänglich ist, also dem, was vor Augen ist und
sich datenmäßig erfassen lässt.
Das ganze Rechtsleben läuft auf diese Weise ab und die Betroffenen klagen
dann nur allzuoft darüber, dass sie ungerecht behandelt würden. Das Ideal,
wonach vor dem Gesetz alle gleich sind, ist bei Licht besehen, eine Notlösung,
einfach weil wir nichts besseres haben, als uns an dem zu orientieren was vor
Augen ist.
Deshalb ist es eine große Verheißung, wenn wir in der Schrift lesen, dass Christus
einmal mit Gerechtigkeit regieren wird. Ebenso dürfen wir schon jetzt auf Gott als
den gerechten Richter vertrauen. Gerechtigkeit in des Wortes voller Bedeutung
kennen wir nämlich überhaupt nicht.
Wir würden allerdings schrecklichen Schiffbruch erleiden, wenn wir versuchen
wollten, nach dem zu urteilen, was, für uns unsichtbar, in eine Sache mit hineinspielt.
Man könnte uns dann vorwerfen, nicht mehr objektiv, sondern auf eine ungute Weise subjektiv zu sein.
Offensichtlich ist aber unsere objektive Gerechtigkeit, nicht unbedingt die Gerechtigkeit, die im Sinne Gottes ist. Wir sollen uns also nicht nur an dem orientieren, was
im Rechtsleben als richtig gilt oder zur gesellschaftliche Norm erhoben wurde, sondern
gerecht richten. Das ist eigentlich eine ungeheure Provokation, sagt es doch nichts
anderes, als dass menschliche Gesetze und Normen fragwürdig sind.
Darum ging es nämlich in dem Text, in dem der heutige Vers steht, wo Jesus
beklagt, dass man ihn wegen angeblicher Verletzung des Sabbatgebots verurteilt.
Er war am Sabbat heilend tätig geworden und hatte damit "gearbeitet", was damals
verboten war, wobei das göttliche Gebot der Sabbatheiligung durch menschliche
Satzungen noch verschärft worden war.
Und da folgt dann der Vers: Richtet nicht nach dem, was vor Augen ist, sondern richtet gerecht. Jesus hatte am Sabbat einen Menschen geheilt und das
war eigentlich viel wichtiger, als das Halten des Sabbatgebots. Seine Kritiker sahen
hier aber ausschließlich nur die Verletzung dieses Gebots.
Wird heute manchmal nicht auch so geurteilt: Da wird, oftmals recht spitzfindig, nur
die Verletzung einer formalen Vorschrift oder Norm gesehen und dabei übersehen,
dass dafür etwas überaus positives und lobenswertes getan wurde. Gerecht richten,
würde hier bedeuten, den gesamten Fall zu sehen. Man merkt, wie brisant diese
Thematik bis heute ist.
Da aber in der heutigen Andacht nicht zu Regelverletzungen animiert werden soll,
will ich mehr an die näherliegenden Dinge erinnern. Wie oft neigen wir z.B. dazu
andere Menschen zu be- und zu verurteilen, und wenn das nur im stillen Herzenskämmerlein geschieht, ohne alle Umstände und Gründe zu kennen und ohne diese
auch nur im Geringsten bedacht zu haben.
Wenn der heutige Vers dazu beiträgt, dass wir uns wieder mehr bemühen, den an-
deren zu verstehen und nach den Motiven und Gründen für sein Tun oder Sosein zu
forschen, und dabei auch unsere eigenen Unzulänglichkeiten nicht aus dem Blick
verlieren, wäre schon viel gewonnen.
Und was Regelverletzungen anbelangt, muss jeder selbst prüfen wann er Gott mehr
gehorchen muss, als menschlichen Satzungen.
Sonne der Gerechtigkeit,
gehe auf zu unsrer Zeit;
brich in deiner Kirche an,
daß die Welt es sehen kann.
Erbarm Dich, Herr!
Weck die tote Christenheit
aus dem Schlaf der Sicherheit,
das sie deine Stimme hört,
sich zu deinem Worte kehrt.
Erbarm Dich, Herr!
Schaue die Zertrennung an,
der sonst niemand wehren kann;
sammle großer Menschenhirt,
alles was sich hat verirrt.
Erbarm Dich, Herr!
Kraft, Lob, Ehr und Herrlichkeit
sei dem Höchsten allezeit,
der, wie Er ist drei in ein,
uns in ihm lässt eines sein.
Erbarm Dich, Herr!
(Lied 'Sonne der Gerechtigkeit',
Autor: Christian David (1692 - 1751), C.G.Barth, C. Nehring)
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