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9. Der innere Zustand eines Christen, der im Kampf gegen die Sünde und in der Übung der Gottseligkeit bis ans Ende beharrt
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Du siehst auf diesem Bild, wie das Herz des Christen von allen Seiten von Feinden umgeben ist. Der Satan und die Sünde lauern beständig auf uns und suchen die alte Herrschaft im Herzen zu erlangen. Unten stehen zwei Männer, die die Welt vorstellen, wovon einer durch Darreichung eines Bechers zu sinnlichen Lustbarkeiten und weltlichen Vergnügungen einladet; der andere mit dem Dolch sucht durch Drohungen, Verfolgungen, Lästerungen und andere gewaltsame Mittel vom Guten abzuschrecken und zu einem sündhaften Leben zu verleiten.
Mit diesen Feinden des Heils, mit Fleisch, Welt und Satan, hat der Christ hier in diesem Leben immer zu kämpfen; aber sein Herz ist dagegen gewappnet, sie können ihn nicht überwinden.
Oben schwebt der Engel, die Gnade Gottes, die ihn beständig zum Kampf ermuntert und zur Beharrlichkeit auffordert, indem sie ihm zuruft: "So jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt, er kämpfe denn recht" (2. Tim. 2,5) und: "Wer beharrt bis ans Ende, der wird selig" (Matth. 24,13).
Im Herzen glänzt der Stern hell und schön, das heißt, der Glaube ist in ihm lebendig, und der Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet (1. Joh. 5,4). Er ist voll Zuversicht, voll Vertrauens zu Gott, darum steht in seinem Herzen geschrieben auf einer Seite: "Gott, wer ist Dir gleich?" Gott ist mit mir, und in Ihm und durch Ihn vermag ich alles. Seine Gnade ist mir genug. Auf der anderen Seite heißt es: "Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Aber in dem allem überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat" (Römer 8,35-57). Glaube und Liebe stehen also obenan in seinem Herzen und befestigen ihn im Guten.
In der Mitte des Herzens ist eine Hostie zu sehen mit der Unterschrift: "Jesus meine Liebe!' Das zeigt an seinen großen Hunger nach der wahren Geistesspeise, nach dem Brot des Lebens, das vom Himmel gekommen ist und der Welt das Leben gibt (Joh. 6,33). Mit diesem lebendigen und belebenden Brot nährt er, stärkt er seinen Glauben und seine Liebe in dem öfteren Genuss des heiligen Abendmahls. Er findet in dieser Speise die größte Kraft, das ewige Leben, wie es denn auch Jesus versprochen hat: "Wer Mein Fleisch isst und trinkt Mein Blut, der bleibt in Mir und Ich in ihm, der hat das ewige Leben" (Joh. 6,54-56).
Ferner siehst du im Herzen Christus, den Gekreuzigten, und ein offenes Buch, das Evangelium, die Heilige Schrift; denn das Lesen und Betrachten des Wortes Gottes und besonders des Leidens und Todes Jesu bleibt immer seine liebste Beschäftigung und die süßeste Weide, auf der er seine Seele weidet, um sich gegen Welt und Sünde, gegen Fleisch und Satan in allen Anfechtungen zu wappnen und zu stärken. Wer Jesus, den Gekreuzigten, nicht im Herzen hat und hält, der ist gewiss lebendig tot. Und wer das Wort Gottes, die Heilige Schrift, das Evangelium, nicht über alle Bücher liebt, vor allen anderen liest und betrachtet, sie nicht aller Wissenschaft vorzieht, nicht zur Regel und Richtschnur seines Wandels macht, der ist wenigstens gefährlich krank an seiner Seele, wenn nicht gar tot und verworfen.
Endlich sehen wir im Herzen ein Kirchlein, einen offenen Geldsack, Brot und Fisch. Das Kirchlein bedeutet, dass er gern betet und unablässig im Gebet verharrt, sowohl in den Versammlungen der Gläubigen als heimlich in der stillen, verborgenen Kammer; und überall, wo er geht und steht, unterhält sich sein Herz mit Gott und lebt und schwebt im Umgang mit Ihm, freut sich Seiner Nähe, gibt sich Ihm hin, bleibt in Ihm. Ohne Gebet kann niemand beharren in der Gottseligkeit, im Glauben, in der Liebe usw.
Der offene Geldsack zeigt seine Wohltätigkeit, seine brüderliche Nächstenliebe an. Er arbeitet dem Geiz entgegen, indem er gern von dem Seinen seinen bedürftigen Brüdern abgibt, soviel er kann, um Liebe zu üben und sein Herz immer mehr vom Irdischen loszureißen. Er weiß, dass diese Seelen, die dem Satan dadurch entgangen sind, dass sie anderen groben Lastern wie der Wollust, der Unmäßigkeit abgesagt haben, wieder unvermerkt in die Stricke des Satans fallen, da sie sich heimlich dem Geiz, der Geldliebe hingeben und unter allerlei Entschuldigungen und Vorwand vergessen, anderen wohlzutun und mitzuteilen.
Brot und Fisch versinnbildlichen seine Mäßigkeit, Enthaltsamkeit und Nüchternheit, in dem er in allem das rechte Maß zu halten sucht, damit er nicht durch unordentlichen Genuss von Speise und Trank die Lust des Fleisches nähre, den Geist niederdrücke und sich zur Übung der Gottseligkeit unfähig mache.
Mit diesen Waffen kämpft der standhafte Christ; diese Waffenrüstung legt er nie von sich, und so behält er das Feld und siegt über alle seine Feinde, über Welt, Teufel und Fleisch.
Gebet
O Jesus, meine Liebe, wenn ich nur Dich habe, was frage ich nach Himmel und Erde! Bleibe Du in mir und lass mich in Dir bleiben, so werde ich immer eine fruchtbringende Rebe sein. Ohne Dich aber vermag ich nichts. Belebe meinen Glauben immer mehr, dass ich Dich, die Allmacht, fasse und durch Dich, dem alle Dinge möglich sind, alles überwinde. Deine Liebe mehre sich in mir und entzünde mein ganzes Herz, dass ich Dich, die höchste Schönheit, die ewige Herrlichkeit, über alles und allein liebe und außer Dir nichts schön, nichts herrlich, nichts anziehend und reizend, nichts meiner Liebe wert finde!
Schenke mir die Gnade Deiner Beharrlichkeit, sie komme allein von Dir! Lass durch nichts mich von Deiner Liebe geschieden werden. Dein Kreuz, Dein Tod und das Gedächtnismahl Deines Todes sei die Nahrung meiner Liebe und Anhänglichkeit an Dich; es vereinige mich unzertrennlich mit Dir. Schenke mir dadurch, was Du verheißen hast, ewiges Leben hier schon und wohne durch den Glauben in meinem Herzen (Eph. 3,17). Dein Wort, voll Geist und Leben, erwecke, erleuchte, tröste, ermuntere, belebe und stärke mich täglich im Kampf und in aller Geduld und Treue.
Lass Dir mein ganzes Herz, alle meine Neigungen, alle Gedanken und Begierden gewidmet sein! Lass mich nicht nur einige böse Lüste und Begierden bekriegen, sondern alle, den Geiz wie die Wollust, den Neid und die Schadenfreude wie die Hoffart, den Zorn und die Rachsucht wie die Trägheit und Unmäßigkeit! Lass mich beten ohne Unterlass, um immer neue Kraft zum Siegen von Dir zu erhalten und Dir treu bleiben zu können bis ans Ende! Amen.
Johannes Goßner (1773-1858)
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